Aktuelle Themen

Gedenken an die Opfer von Orlando

Gepostet: | Kolumne: Mario Simeunovic

„Es traf uns mitten ins Herz“

Liebe Freundinnen und Freunde,

herzlich Willkommen zu unserer Gedenkveranstaltung beim diesjährigen Christopher Street Day. Seit acht Jahren haben wir an dieser Stellen einen Platz geschaffen, wo wir im Rahmen unserer Demonstration für Respekt und Anerkennung, für Offenheit und Solidarität, derjenigen gedenken, die an den Folgen HIV und Aids verstorben sind. Viele – wenn  nicht die meisten von ihnen – sind auch Opfer von Homophobie und Ignoranz, denn es war ein langer Kampf, bis in der medizinischen Forschung und der Prävention endlich die erforderlichen Anstrengungen unternommen wurden, um der Ausbreitung und den verheerenden Folgen dieser Erkrankung wirksam zu begegnen.

Wir stehen dieser Tage aber auch unter dem Eindruck eines Hass-Verbrechens, denn unsere Community wurde zum Ziel eines homophoben, terroristischen Angriffs. Es traf uns mitten ins Herz als am 12. Juni ein homophober Attentäter ein Blutbad im Pulse Nightclub in Orlando, Florida anrichtete, 49 unserer Freundinnen und Freunde erschoss und weitere 53 verletzte. Mit den Porträts unserer ermordeten Freundinnen und Freunde auf der Bühne wollen wir der Opfer gedenken, wissend, dass hinter jedem Opfer eine eigene, unfassbare Tragödie steht.

Mit dem Pulse Club traf es uns an einem der Orte, die wir für uns geschaffen haben, um mit uns und unseren Freunden gemeinsam ausgelassen feiern zu können, an einem Ort, der dazu bestimmt war, frei zu sein von Diskriminierung, von der Angst vor Hass und Gewalt, die uns begleiten, seit jede und jeder Einzelne von erkannt hat, dass wir anders als die anderen sind, weil wir anders lieben, als es die Mehrheit unserer Gesellschaft als „normal“ anerkennt. Einer Angst, die immer noch spürbar ist, wenn wir uns Hand in Hand mit unserer Partnerin oder unserem Partner durch die Öffentlichkeit bewegen.

Doch es blieb nicht bei der erschütternden, unfassbaren Erfahrung. Wir mussten erleben wie brüchig die Akzeptanz unserer Art zu leben und zu lieben in der Gesellschaft ist, als in den Medien und auch in der Politik ernsthaft gefragt wurde, ob es sich dabei um ein terroristisches Attentat oder um einen homophoben Akt handelt, unfähig zu erkennen, dass beides zutrifft. Das Ausmaß und das bewusst gewählte Ziel des Gayclubs Pulse ließ ohne jeden Zweifel erkennen, dass es sowohl ein homophober wie auch ein terroristischer Akt war.

Es war die schlimmste gezielte, massenhafte Ermordung von queeren Menschen in der westlichen Welt seit dem Holocaust. Es war nicht einfach nur ein Angriff auf menschliches Leben oder die Freiheit von Menschen, die ihr Leben und ihre Freizeit genießen wollen, es war ein gezielter homophober Angriff auf uns.

Und auch dieser Angriff rief wieder einmal diejenigen auf den Plan, die sich nur dann um LGBTI-Rechte kümmern, wenn Muslime involviert sind. Wir dürfen es nicht zulassen, dass solche Greultaten von dieser Bigotterie vereinnahmt werden. Wir müssen uns in Acht nehmen vor solcher schlichten Ideologie und uns an Menschen erinnern, wie den Bürgermeister von London, einem Muslim, der für seine Unterstützung von LGBT-Rechten Todesdrohungen erhielt und an die vielen Musliminnen und Muslime, die gemeinsam mit uns getrauert und gegen Hass und Gewalt demonstriert haben.

Ihr Anteilnahme und Solidarität – wie auch die von anderen Minderheiten – hat mich getröstet und mich daran erinnert, niemals zu vergessen, dass auch wir gefordert sind, sichtbar Anteilnahme und Solidarität zu zeigen, wenn andere Minderheiten Opfer von Hassverbrechen werden, sei es in einer Synagoge, in einer Flüchtlingsunterkunft oder in einer Kirche von Afroamerikanerinnen.

Lasst uns auch nicht darüber diskutierten, ob der Täter abnormal und psychisch gestört ist. Wir stigmatisieren damit Menschen mit psychischen Erkrankungen. Es ist doch noch gar nicht so lange her, da wurden wir selbst als unnormal und psychisch erkrankt ausgegrenzt. Lasst uns stattdessen Solidarität und unserer Verachtung für diejenigen demonstrieren, die Menschen hassen, weil sie anders sind als sie selbst.

Vielfalt verdient Respekt. Grenzenlos! Unser CSD-Motto ist beides, es ist unsere Vision eines menschlichen Zusammenlebens, in dem gruppenbezogener Hass keinen Platz hat. In dem wir das verteidigen, was schon immer Bestandteil unserer Subkultur war: die Akzeptanz und der Respekt von Menschen unterschiedlicher Herkunft, Hautfarbe, Religion und sexueller Orientierung, Menschen so zu nehmen, wie sie sind und offen zu sein. Unsere Sympathie und unsere Liebe gehört jetzt stärker denn je denjenigen, die den Mut haben, ihr Leben als das zu leben, was sie sind und wie sie sind. Setzen wir gemeinsam ein Zeichen, dass wir unsere Community verteidigen werden, als ein Ort und eine Gemeinschaft der Offenheit und Inklusion, die sich nicht von Vorurteilen, Ängsten und Hass zerstören lässt.

Wenn wir diese Kultur der Offenheit und Aufgeschlossenheit weiter leben und verteidigen, dann werden wir die Kraft haben, uns und anderen Trost zu spenden, ihnen und uns Mut zu machen, auch im Angesicht solch unfassbarer Greul wie dem homophoben terroristischen Attentat in Orlando.

Liebe Freundinnen und Freunde, Patrick Granado wird unser Gedenken gleich mit dem Elton John Song „Don't Let the Sun Go Down On Me“ begleiten. Lasst uns dabei zusammen stehen und gemeinsam um die Opfer von Orlando trauern. Senden wir ihren trauernden Gliebten, Freunden und Angehörigen unsere Anteilnahme, Mut und Hoffnung. Unsere Gedanken und Wünsche sind bei den 53 Verletzten des Attentats, denen wir von Herzen eine rasche und vollständige Genesung wünschen und lasst uns ein Zeichen setzen, indem wir uns zu unserer Community bekennen, in der niemand übersehen, in der niemand vergessen sein wird und in der wir für uns und alle Menschen, die Opfer von Hass und Gewalt sind, da sind.