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Rede zum Drogentoten-Gedenktag: Konsumräume retten Leben!

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"An ihren Taten sollt ihr sie erkennen!"

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Dr. Markus Söder,

auch wenn Sie heute wieder nicht persönlich anwesend sind, so wende ich mich dennoch direkt an Sie. Im Rahmen der Corona – Pandemie trafen Sie am 30.10.2020 in Ihrer Regierungserklärung im Landtag folgende Aussage: „Jedes Leben ist gleich viel wert und verdient es, von uns gerettet zu werden.“ Herr Ministerpräsident, das ist eine bemerkenswerte Aussage, zeugt sie doch von einer zutiefst christlichen Überzeugung Ihrerseits und Ihrer Partei, der Christlich Sozialen Union. Wie aber ist diese Aussage mit Ihrer bisherigen Drogenpolitik und Ihrer Weigerung, Konsumräume in Bayern zu genehmigen, vereinbar? Die Antwort ist einfach: Sie ist es nicht!

Seit vielen Jahren fordern wir vergeblich Konsumräume in Bayern und München, als Über-Lebenshilfen. Die Argumentation, Konsumräume würden Nicht – Konsument*innen zum Drogenkonsum verleiten, ist nicht haltbar. Herr Ministerpräsident, Sie haben sich sicher schon einen solchen sterilen, gekachelten Raum angesehen und wohl kaum anschließend den Drang verspürt, Drogen zu konsumieren. Auch ist ein Konsumraum kein „rechtsfreier Raum“, da in diesem alle Auflagen, die im Bundes- und Landesrecht festgehalten sind, sorgfältig eingehalten werden müssen.

Sie werden vielleicht sagen: Wir stellen doch genügend andere Hilfsangebote zur Verfügung wie Therapien, Entgiftungen und Substitution. Nicht alle Suchterkrankten können diese Angebote jedoch annehmen, sei es wegen fehlender Krankenversicherung oder ihrer individuellen Lebens-geschichte. Wollen Sie, Herr Dr. Söder, diesen genauso wertvollen Menschen weiterhin die Über-Lebenshilfe „Konsumraum“ verweigern und sagen: „Na, dann habt ihr halt Pech gehabt!“? Herr Dr. Söder, ist es nicht ihre moralische, ja christliche Verpflichtung als Ministerpräsident und Vorsitzender der Christlich Sozialen Union, alles in Ihrer Macht stehende zu tun, um Leben zu retten, von denen Sie selbst sagen, ein jedes gleich viel wert ist und es verdient, gerettet zu werden?

Konsumräume retten erwiesenermaßen Leben.

Drei Beispiele aus anderen Städten: Im Konsumraum „ABRIGADO“ in Hamburg kam es 2019 zu 20 Notfällen. Alle konnten gerettet werden! Im Konsumraum „BIRKENSTUBE“ in Berlin kam es 2019 zu 26 Notfällen. Alle konnten gerettet werden! Im Konsumraum „NIDDASTRASSE“ in Frankfurt a.M. kam es 2019 zu 242 Notfällen. Alle konnten gerettet werden! Viele dieser Menschen wären gestorben, hätten sie nicht die Möglichkeit gehabt, in einem Konsumraum mit anwesendem Fachpersonal zu konsumieren!
Wie aber sah es im gleichen Zeitraum in München aus? 2019 starben hier 53 Drogengebraucher*innen in Parks, öffentlichen Toiletten, oder alleine zu Hause. Viele dieser Menschen könnten noch leben, hätte es einen Konsumraum mit Fachpersonal in München gegeben. Herr Ministerpräsident, können Sie angesichts dieser Zahlen noch ruhig schlafen? Sucht wurde 1968 vom Bundessozialgericht als chronische Erkrankung anerkannt. Solange Sie hier in Bayern, im Gegensatz zu anderen Bundesländern, an Ihrer veralteten Politik der Kriminalisierung, Stigmatisierung und Diskriminierung von Drogengebraucher*innen festhalten, solange Sie weiterhin Konsumräume in Bayern verweigern, kann – ja muss man dann nicht von unterlassener Hilfeleistung an chronisch Kranken sprechen?

Herr Ministerpräsident, Sie haben kein Problem damit, im Rahmen des Oktoberfestes (und früher oder später wird es wieder stattfinden), Konsumräume in Form von Bierzelten für die von Ihnen als legal erklärte Droge Alkohol zu erlauben. Inklusive Sanitäter*innen, um im Notfall Leben zu retten! Gleichzeitig verweigern Sie aber Menschen mit einer chronischen Suchterkrankung an von Ihnen als illegal erklärten Drogen ebensolche Konsumräume, inklusive medizinischer Notversorgung. Wenn Ihnen also Ihre Worte ernst waren, und ich zitiere Sie hier noch einmal wörtlich: „Jedes Leben ist gleich viel wert und verdient es, von uns gerettet zu werden.“, dann können Sie gar nicht anders, als Konsumräume in Bayern zu gestatten. Denn könnte dadurch auch nur ein Leben gerettet werden, so ist dies Ihre mitmenschliche Pflicht. Ansonsten hätten Sie als Vorsitzender der Christlich Sozialen Union, sowie Ihre Partei jede Berechtigung verloren, das Wort Christlich zu verwenden und man müsste von Doppelmoral sprechen!

„Jedes Leben ist gleich viel wert und verdient es, von uns gerettet zu werden.“

Herr Ministerpräsident, dies sind Ihre eigenen Worte! Lassen Sie Ihren Worten Taten folgen! Konsumräume retten erwiesenermaßen Menschenleben! Das Fehlen von Konsumräumen kostet Menschenleben. Herr Ministerpräsident, wofür entscheiden Sie sich? Das folgende Zitat stammt nicht von Ihnen, Sie werden es trotzdem kennen: „Nicht an ihren Worten, sondern ihren Taten sollt ihr sie erkennen!“

Meli, JES München