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Drogentotengedenktag 2017

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Ein besonders trauriger Tag – von Irena Wunsch

Dieser heutige Drogentotengedenktag ist leider ein besonders trauriger Tag. Wir haben die höchste Zahl an Drogentoten zu beklagen seit 1992. Im Jahr 2016 sind 1333 Menschen in Deutschland an den Folgen ihrer Abhängigkeit von illegalen Stoffen gestorben. Seit 2012 sind diese Zahlen stetig gestiegen. Insbesondere in Bayern und in München erleben wir eine immer noch wachsende Zahl von Todesfällen.

Wie lässt sich dieser hohe Anstieg erklären?
Zum einen haben wir mehr Todesopfer durch den Konsum von sogenannte Designerdrogen zu verzeichnen. 98 Drogentote durch Legal Highs oder den sog. NPS (Neue Psychoaktive Substanzen) wie Badesalze und ähnliches, die meist über das Internet bezogen werden. Deren Zusammensetzung ist oft nicht bekannt, und birgt hohe Risiken für die Konsument_innen. Zum anderen fehlen niedrigschwellige Hilfen wie Drogenkonsumräume, Drugchecking und weitere Bemühungen, Legalisierung bestimmter Stoffe voran zu treiben. Insbesondere in Bayern sind solche Forderungen ein Tabu. Und doch so notwendig, wenn es darum geht erfolgreiche Maßnahmen zu ergreifen.

Versuche mit teilweisen Legalisierungen oder durch die Versorgung mit Risiken vermeidenden Ersatzdrogen haben in den letzten Jahren gezeigt, dass sich Drogenmissbrauch und Folgeschäden damit besser unter Kontrolle bringen lassen als durch Kriminalisierung. Eine steigende Stoffqualität und sinkende Preise werden ebenso verantwortlich für die steigende Todeszahlen gemacht. Dies zeigt, dass wir mit der Verbotspolitik nicht wirklich weiter kommen. Drogen ob illegal oder legal sind da und eine Gesellschaft muss lernen mit ihnen umzugehen.

Auch haben wir immer noch mit einer mangelnden Versorgung im Bereich Substitution im Strafvollzug zu tun. Viele Drogentote sind Häftlinge, die kurz nach Entlassung an einer Überdosis sterben, da sie durch eine Zwangsentgiftung in Haft, ihre übliche Dosis nicht mehr vertragen. Wären sie hingegen im Vollzug medizinisch mit Methadon versorgt worden, würde dies nicht der Fall sein. Substitution ist eine medizinische Behandlung einer Opiatabhängigkeit und sollte allen suchtkranken Menschen, die von Opiaten abhängig sind, uneingeschränkt zugänglich sein. Hierbei handelt es sich um ein Grundrecht. Wir als Münchner Aids-Hilfe kämpfen immer noch für eine flächendeckende medizinische Versorgung suchtkranker Menschen in den bayerischen Gefängnissen. Dass dies der richtige Weg ist, hat das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschrechte gezeigt.

Die Liste der Fälle von Verfolgung und Menschenrechtsverletzungen in Folge einer medizinisch unsinnigen und moralisch-ideologisch verblendeten Drogenpolitik ließe sich hier lang fortführen. Es ist höchste Zeit, dass sich auf diesem Gebiet in Bayern etwas grundlegend ändert.

Die Münchner Aids-Hilfe ist eng mit der Suchthilfe vernetzt. Safer-use und Safer Sex sind Themen, die uns seit langem miteinander verbinden. So bieten wir z.B. seit Jahren regelmäßige Testangebote zu HIV und anderen sexuell übertragbaren Krankheiten in den Drogenkontaktläden an. Letztes Jahr haben wir auch hier einen Anstieg an HIV-positiven Testergebnissen gehabt. Diese Zahlen zu interpretieren ist schwierig. HIV war seit längerem kein großes Thema in der Suchthilfe mehr. Das scheint sich zu ändern. HIV und andere sexuell übertragbare Krankheiten sind durch veränderte Konsumgewohnheiten von drogengebrauchenden Menschen und Substanzen, die sexuell aktiver machen, wieder ein Thema.

Ich wäre es leid, wenn ich hier nächstes Jahr stehen sollte, wieder sagen zu müssen, was alles nicht umgesetzt wurde und wie bewusst die Fachlichkeit nicht gehört wird. Ich wünsche mir eine akzeptierende, offene Gesellschaft und eine Politik, die bereit ist, andere Wege zu gehen.

Kontakt Irena Wunsch