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Bayerns Drogenpolitik abgewatscht

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„Schallende Ohrfeige für bayerischen Vollzug“

Einem drogenabhängigen Insassen der JVA Kailsheim wurde dort jahrelang die Substitution mit Methadon verweigert. Daduch litt er nicht nur unter chronischen Schmerzen, auch die Behandlung seiner Hepatitis C mit Interferon wurde so unmöglich. Außerdem berichtet er von „Verhöhnung“ seitens Mitgefangener und des Personals. Darum strengte er schon vor Jahren eine Klage an. Nachdem diese von allen deutschen Instanzen abgelehnt worden war, zog er vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Mit Erfolg. Der EGMR hat mit seiner Urteilsbegründung gegenüber der deutschen Rechtsprechung eine Verletzung von Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention festgestellt, wonach niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden darf. Für Johannes Feest, emeritierter Professor für Strafverfolgung, Strafvollzug und Strafrecht an der Universität Bremen, stellt das Urteil „eine schallende Ohrfeige für den bayrischen Vollzug“ dar. Mit Schadensersatz hat der Kläger allerdings nicht zu rechnen, nur eine Aufwandsentschädigung in Höhe von knapp 2.000 Euro wurde ihm zugesprochen.

Dennoch: Das Urteil könnte wegweisend sein für den künftigen Umgang mit diesem Thema, vor allem im Freistaat Bayern, dessen Drogenpolitik besonders restriktiv ist. Möglich wurde der Gang durch die Instanzen unter anderem durch die AG „Aids & Haft in Bayern“, der auch die Münchner Aids-Hilfe angehört. Außerdem engagierte sich die Deutsche AIDS Hilfe sowie der Dr. Florian Schäffler von der Hochschule München. Entsprechend groß ist die Freude über das Urteil, auch in München: „Jeder Häftling hat Anspruch auf medizinische Behandlung nach Sozialgesetzbuch und damit eben grundsätzlich auch auf die Behandlung mit einem Ersatzstoff“; so Martin Jautz von der MüAH. „Drogensüchtige sind keine Kriminiellen, sondern Menschen mit einer Suchtkrankheit, die behandelt werden müssen.“

Ob der Freistaat bzw. die Bundesrepublik nun Konsequenzen aus dem Urteil zieht oder ob es andere Drogenabhängige in Haft ermuntert, ebenfalls gegen ihre Haftbedingungen zu klagen, muss nun abgewartet werden.

Einen Überblick über die zahlreichen Presseberichte zu dem Thema haben wir euch hier zusammengestellt:

Die Welt: „Unmenschliche Behandlung in bayerischem Gefängnis“ - Link

Zeit-Online: „Haft ohne Methadon-Programm verstößt gegen Menschenrechte“ - Link

Zeit-Online: „Häftlinge haben Recht auf Drogenersatz“ - Link

Juris – das Rechtsportal: „Haft ohne Methadon verstößt gegen Menschenrechte“ - Link

ZDF heute.de: „Kein Methadon im Knast: Menschenrechtsverstoß“ - Link

Pharmazeutische Zeitung online: „Haft ohne Methadon-Programm verletzt Menschenrechte“ - Link

Aachener Zeitung: „Haft ohne Methadonprogramm verstösst gegen Menschenrechte“ - Link

Frankfurter Allgemeine: „Kein Methadon in Haft ist Menschenrechtsverstoß“ - Link

Augsburger Allgemeine: „Häftling bekommt kein Methadon in der JVA Kaisheim“ - Link

Bild: „30 Ärzte mit Zulassung für Methadon-Gebrauch“ - Link