Aktuelle Themen

100 Jahre Frauenwahlrecht – frauenliebende Frauen vor!

Gepostet:

Wir fühlen uns dieser Tradition verpflichtet

Am 30. November 1918 wurde das aktive und passive Wahlrecht für alle Bürgerinnen und Bürger in der Verordnung über die Wahl zur verfassungsgebenden deutschen Nationalversammlung verankert. Auch in München hinterließ diese Bewegung Spuren: So lebte beispielsweise die Juristin Anita Augspurg hier gemeinsam mit ihrer Lebensgefährtin Lida Gustava Heymann. Sie hatte maßgeblich Anteil daran, dass Frauen erstmalig durch das Frauenwahlrecht die Möglichkeit bekamen, auf die ungleichen Verhältnisse von Mann und Frau in der Gesellschaft politisch einzuwirken.

Das Frauenwahlrecht, das uns heute so selbstverständlich erscheint, musste gegen heftige Widerstände und Vorurteile von Männern (und auch Frauen) durchgesetzt werden. Trotz Niederlagen und Demütigungen kämpften engagierte Frauen in Deutschland nicht nur Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts, sondern immer wieder (besonders sichtbar in den 1970er Jahren) beharrlich für die Gleichberechtigung von Frau und Mann in der Gesellschaft.

Und heute? Mehr als 100 Jahre später?

Ich selbst bin mit den Grundrechten aufgewachsen und damit, dass alle Menschen gleich sind. Ich habe mein Recht zu wählen genutzt, sobald ich das mit Erreichen der Volljährigkeit konnte. Um gesellschaftliche Verhältnisse nach meinem Verständnis von einer liberalen, toleranten und pluralen Gesellschaft mitzubestimmen. Als lesbische Frau habe ich seit 2017 die Möglichkeit, vor dem Gesetz zu heiraten. Es ist viel geschafft! Wir leben in einer Gesellschaft, die sich immer mehr gestriger menschenverachtender, antifeministischer Haltungen bewusst wird und diese aktiv konfrontiert in Bewegungen wie dem Slutwalk oder der #metoo Bewegung.

Was uns heutige Frauen hundert Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts mit den Errungenschaften mutiger Frauen in den Jahrzehnten zuvor verbindet, ist dasBewusstsein, dass kein System statisch ist und sich gesellschaftliche Verhältnisse aufgrund medialer, politischer oder anderer Einflüsse schnell ändern können ­– in eine Richtung, die weniger Vielfalt und Toleranz stärkt, als mehr die Vereinheitlichung der Gesellschaft anstrebt. Für mich bedeutet das: Wertschätzung für das, was wir bereits erreicht haben, damit wir es bewahren können und Wachsamkeit gegenüber dem, was diese Entwicklung gefährden könnte!

Auch in der Beratungsstelle „rosaAlter“ der Münchner Aids-Hilfe werden diese Leistungen hoch geschätzt. Wir fühlen uns der Tradition dieser 100-jährigen Bewegung verpflichtet. Immer wieder waren lesbische Frauen ganz vorn dabei, wenn es darum ging, für Gleichberechtigung einzutreten – viele von ihnen waren aktiv und erfolgreich. Deren Erbe wollen wir bewahren und lesbisches Leben in der Jetztzeit unterstützen und sichtbar machen!

Stefanie Vogel, Beratungsstelle „rosaAlter“ für lesbische, schwule, trans* und inter* Senior_innen